Der erste in einer neuen Reihe von Themenabenden widmete sich Büchern aus den Jahren 1945–1950. Inspiriert durch das Buch »Den Trümmer abgetrotzt – Bücher der Stunde Null. Die Sammlung Lothar Lang«, drehte sich die Frage schnell um genau diesen Terminus: War es ein Neuanfang oder nicht? Die von den Mitgliedern mitgebrachten Bücher lieferten Argumente für beide Sichtweisen. Aufbruch gab es vieler Orten, schon allein im Namen Aufbau-Verlag lag Verheißung, doch auch viel Anknüpfung an die Zeit vor 1933. Entweder an die Moderne und die Exilanten wie Bücher von FC Weisskopf, Max Herrmann Neiße, Kataloge der Galerie Rosen zeigten, an moderne Kinderbücher der Avantgarde der 1920er, die in Exemplaren aus dem Felguth-Verlag (»Husch, das gute Gespenst«), Peter Paul Verlag (»Die silberne Brücke«), Altberliner Verlag Lucie Groszer (»Die Söhne der Großen Bärin«), Globus-Verlag (»Die wirklichen Wunder des Basilius Knox«), der Jugendzeitschrift Horizont oder der Knabe Jugendbücherei anklangen, wie auch der starke Einfluss amerikanischer Populärkultur mit Reihen wie Zane-Grey-Wildwestromanen, die ihre Wurzeln in den 1930er Jahren hatten. Genauso zeigten sich restaurative Tendenzen als auch neues Interesse an der Vergangenheit, die Beschäftigung mit der Klassik wie Goethe-Ausgaben mit Karl-Stratil-Illustrationen, die Neubetrachtung der 1848 Revolution im Jubiläumsjahr (Friedrich Meineckes »1848. Eine Säkularbetrachtung«,Verlag Lothar Blanvalet), die Klemke-Adaption von Georg Weerths »Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben«, Ludwig Schiedermairs »Musikalische Begegnungen« (Stauffen Verlag), Puschkins Dramen (SWA-Verlag) oder der Potsdamer Stichnote Verlag mit seinem bildungsbürgerlichen Programm. Die Auseinandersetzung mit Krieg und Naziherrschaft spiegelte sich in vielen Büchern (»Apokalypse« mit Holzstichen von Karl Rössing, Johannes R. Bechers »Deutsches Bekenntnis«, Nelly Sachs »In den Wohnungen des Todes« mit den Zeichnungen von Rudi Stern). Der Mangel der Nachkriegszeit zeigte sich nicht nur in Fragen der Papierqualität, sondern auch in erfinderischen Titeln. Ein Spiegel der Zeit waren zwei schöne Kochbücher: »Schmalhans kocht trotzdem gut« und »Der heruntergekommene Lukull« mit Tipps für Schmackhaftes aus dem Wenigen, was es noch gab. Einen Blick in den Alltag eröffnete auch ein Fussballprogramm aus dem Jahr 1949/50. Als Gäste in der Räumen der Herr-Hegenbarth-Stiftung verwies uns Gastgeber Christopher Breu zum Schluss auf eine Reihe bisher unveröffentlichter Arbeiten von Josef Hegenbarth, der in dieser Zeit Grafikfolgen zu deutschen Klassikern des 19. Jahrhunderts für die Schublade schuf. Wie hier auch der Beginn seiner Märchenbücher für den Verlag Rütten & Loening ab 1949 liegt, die Breu mit einigen Exemplaren vorstellte. Die Stunde Null, zeigte sich, kann auch gut und gerne als unbemerkte Stunde der Vielfalt ins Metaphern-Lexikon.
Till Schröder
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